In Wahrheit heißt die Notlage des Landes »Ampel«
28.11.2023 – Dietmar Bartsch antwortet auf die Regierungserklärung von Bundeskanzler Olaf Scholz: Deutschland hat offensichtlich ein Qualitätsproblem – mindestens mit seinen Finanzministern. Finanzminister Scholz hatte die glorreiche Idee, ungenutzte Corona-Hilfen in den Klima- und Transformationsfonds umzuwidmen. Finanzminister Lindner hat diesen Verfassungsbruch mit Ansage durchgewunken. Beide sind krachend gescheitert und verantwortlich für die aktuelle Regierungskrise. Die Ampel ist keine Regierung, die Probleme löst, sondern Probleme vielfach mit ihrer unseriösen Politik schafft. In Wahrheit heißt die Notlage des Landes „Ampel“, aber dagegen helfen nicht einmal Kredite. Ihre Haushaltsplanung ist Chaos pur, setzt falsche Prioritäten, schont die Vermögendsten. Arbeiten Sie endlich solide statt mit ungedeckten Checks auf Kosten der Bürger!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst ausdrücklich den Worten des Bundeskanzlers bezüglich der Geiseln und der Aufforderung anschließen, dass die Hamas möglichst umgehend, also sofort, alle Geisen freilässt.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich finde es richtig, dass der Bundeskanzler heute hier eine Regierungserklärung nach Aufforderung durch die Opposition abgegeben hat. Das war überfällig. Aber ich hätte mir sowohl seitens des Kanzlers als auch seitens der Redner der Regierungsfraktionen etwas mehr Demut erwartet.
(Beifall des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])
Denn die Realität ist doch, dass wir mindestens eine veritable Regierungskrise haben. Herr Scholz, Sie haben davon gesprochen, dass es nur Konturierungen gab. Aber, ehrlich gesagt, wenn das denn so ist, dann hätte ich doch erwartet, dass man sich auf ein solches Urteil mindestens vorbereitet.
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Der Kanzler sollte zumindest einmal zuhören!)
Aber Sie waren völlig unvorbereitet auf dieses Urteil; das ist doch die Wahrheit. Sie waren völlig unvorbereitet, und das ist unverantwortlich, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Die Realität ist doch: Deutschland hat offensichtlich ein Fachkräfteproblem – mindestens bei seinen Finanzministern.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es war doch Olaf Scholz, der die glorreiche Idee hatte, die nicht genutzten Coronahilfen für den Klima- und Transformationsfonds umzuwidmen, und Christian Lindner war es, der diesen Verfassungsbruch mit Ansage durchgewunken hat. Beide sind krachend gescheitert und tragen die Verantwortung für die Regierungskrise sowie für die Verunsicherung der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen in diesem Land, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Es ist die „Süddeutsche Zeitung“, die von „Tricksern“ gesprochen hat. Es ist das „Handelsblatt“, das von „Bilanzfälschung“ geschrieben hat. Es ist der „Spiegel“, der zu Olaf Scholz getitelt hat: „Absturz eines Besserwissers“. Nein, meine Damen und Herren, Sie sind keine Regierung von Format, Sie sind keine Regierung, die Probleme löst. Sie schaffen mit Ihrer unseriösen Politik Probleme. So kann man die viertstärkste Industrienation der Welt nicht regieren.
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
In Wahrheit heißt die Notlage des Landes doch „Ampel“; aber dagegen helfen nicht einmal Kredite.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, machen wir uns nichts vor: Die Schuldenbremse wird dieser Tage faktisch von einem ihrer größten Fans zu Grabe getragen, nämlich von Christian Lindner. Ich habe es jetzt so verstanden, dass Friedrich Merz der nächste größte Fan ist; in der Union gibt es aber offensichtlich sehr differenzierte Auffassungen dazu. Ich prophezeie mal: Sie werden auch 2024 die Schuldenbremse aussetzen müssen.
(Zurufe von der SPD)
Vielleicht liegt das ja auch daran, dass Herr Lindner den Wald vor lauter Schattenhaushalten nicht mehr sehen kann. Bringen Sie Klarheit in Ihre Finanzen! Beenden Sie die Kakofonie!
Die Wahrheit ist aber eine völlig andere: Das Chaos geht doch weiter. Wie ist denn das mit den Energiepreisbremsen? In fünf Wochen haben wir Januar. Und die Realität ist, dass Christian Lindner sagt: Alles aus und vorbei. – Und fünf Minuten später sagt Kevin Kühnert: Nein, die werden beibehalten. – Ja, was ist denn nun die Wahrheit? Wie sollen denn Unternehmerinnen und Unternehmer planen in dieser Situation? Sie tragen eine Verantwortung. Genauso ist das mit den Investitionen in die Chipfabriken. Was ist denn da nun angesagt? Herr Haseloff sagt, er habe mit dem Kanzler telefoniert. Na Donnerwetter, wenn das ausreichend ist, dann sind wir in diesem Lande aber weit gekommen.
(Beifall bei der LINKEN)
Meine Damen und Herren, die Schuldenbremse ist eine Investitionsbremse. Mit der Schuldenbremse verfällt die Infrastruktur. Was ist denn die Wahrheit? 2009 wurde die Schuldenbremse eingeführt. Und wie ist jetzt die Situation? Ist die Situation eine bessere bei der Bahn oder in den Bildungseinrichtungen oder in den Kliniken, bei den Straßen, bei den Schienen?
(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Nein!)
Nichts davon! Wir brauchen Investitionen nicht als Ausnahme, sondern als Regel für die nächsten Jahrzehnte.
(Beifall bei der LINKEN)
Ich meine, Olaf Scholz hat doch recht: „Nur wenn sich Deutschland modernisiert …“ Aber dafür sind Investitionen doch die Voraussetzung. Wie soll ein Land die gewaltigen Herausforderungen der notwendigen Transformation, des Klimaschutzes bewerkstelligen, das nicht einmal anständig investieren kann? Die Schuldenbremse ist ein Anschlag auf die Zukunft.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber es geht nicht nur um Investitionen, sondern natürlich geht es auch um Einnahmen. Damit meinen wir ausdrücklich nicht Mehreinnahmen und höhere Steuern, etwa für die hart arbeitende Mehrheit in diesem Land. Nein, im Gegenteil, da müssen die Belastungen sogar runter, bei Steuern und bei Strom.
(Beifall bei der LINKEN)
Aber es geht zum Beispiel um das Streichen von Ausnahmen für die größten Erbschaften. Es ist so: Je höher die Erbschaft, desto niedriger die Steuerlast. Meine Fraktion hatte dazu eine Anfrage gestellt. Diese ergab: Von den 40 Erben, die über 100 Millionen Euro – ich wiederhole: 100 Millionen Euro! – vererbt bekommen haben, haben 31 nicht einen Cent an Steuern gezahlt. Das ist doch ein Skandal!
(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Unser Land ist eine Steueroase für Superreiche. Das muss man doch beenden, meine Damen und Herren. Das darf nicht so bleiben.
Und was machen Sie? Real erhöhen Sie die Mehrwertsteuer. Sie erhöhen die Mehrwertsteuer für die Restaurants und nehmen damit auch eine Pleitewelle in Kauf.
(Zurufe von der SPD)
Das ist doch die Wahrheit. Sie erhöhen auch die Mehrwertsteuer auf Schulessen. Das ist im Übrigen ein Skandal! Da sollten Sie mal auf Kommunalpolitiker von der Linken bis zur Union hören, die da eine andere Position haben. Sie haben im Wahlkampf etwas anderes versprochen, Herr Scholz, und Sie lassen jetzt auch die Diskussionen um Kürzungen bei den Sozialleistungen laufen, auch in Ihrer Rede. Beenden Sie das! Sagen Sie ganz klar: Es wird keine Sozialkürzungen in diesem Land geben. – Das wäre so dringend notwendig, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der LINKEN)
Da die FDP ja völlig zu Recht auch von Ausgabenreduzierung spricht: Ja, einverstanden, auch darüber kann man reden. Aber Sie haben davon bewusst einige Bereiche vollständig ausgenommen. Da ist natürlich zuallererst der Rüstungsbereich. Der ist offensichtlich sakrosankt, und das kann doch nicht sein. Die Verdopplung der Hilfen für die Ukraine wird einfach mal so locker zugesagt. Ich finde, dahinter sollte man genauso ein Fragezeichen setzen wie hinter die Steigerung des Verteidigungsetats.
Letztlich ist Ihre Haushaltsplanung Chaos pur. Sie setzt falsche Prioritäten. Sie schont die Vermögendsten. Das ist die Wahrheit. Arbeiten Sie endlich solide statt mit ungedeckten Schecks auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger, meine Damen und Herren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der LINKEN)